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Gedanken aus dem Juni-Band

Glaube als Moral und Glaube als Vertrauen

«Warum sind gläubige Menschen so moralisch?» Diese Frage traf mich neulich etwas überraschend auf dem linken Fuss. Auf die Schnelle wusste ich keine Antwort. Eine Verteidigungsrede wollte ich nicht halten. Dies hätte den Sachverhalt wohl nur erhärtet. Fast hätte ich zurückgefragt, ob denn unter Klimaaktivistinnen, Veganern und Gendergerechten nicht mindestens so viel Moralisten zu finden seien. Aber diese Rückfrage hätte meine Verlegenheit in der Sache nur bestätigt.

Weil mir die Frage nicht aus dem Kopf geht, will ich eine «Antwort» versuchen. Sie bleibt fragmentarisch, d.h. ganz und gar unvollständig.

Mir stehen die Freunde Hiobs vor Augen. Sie sind «Moralapostel par excellence». Sie würden gerne ihren Freund «auf den rechten Weg» bringen. An ihnen wird uns deutlich, dass sie selber überzeugt sind, dass sie auf dem rechten und richtigen Weg sind. An ihnen zeigt sich, was es heisst, an religiöse Prinzipien zu glauben. Sie fühlen sich diesen Prinzipien verpflichtet. Sie sind ihnen Beweis für ihre eigene «Rechtgläubigkeit». Sie handeln nach diesen Prinzipien, damit sie Gott gefallen. Von ihnen versprechen sie sich Gunst und Segen von Gott.

Wer moralische Prinzipien einhält, dem geht es um seine Sicherheit. Christlicher Glaube aber ist Vertrauen, nicht Sicherheit. Vertrauen auf Gott. In der Vertrauensbeziehung mit Gott sind seine Gebote ein Geschenk seiner Liebe und nicht Prinzipien, die es möglichst korrekt einzuhalten gilt.

Dass moralische Menschen mehr zur Korrektheit als zum Vertrauen neigen, liegt – meines Erachtens – nicht am Glauben, sondern am Charakter und an der Erziehung.

Wir, die wir im christlichen Glauben sind, sind aber vielmehr aufgerufen zum Vertrauen gegenüber Gott als zur Korrektheit.

Das Leben, der Alltag und unsere Mitmenschen bieten uns allen viele Möglichkeiten, dieses Vertrauen einzuüben.

Herzlich grüsst
Ihr Pfarrer Roger Nünlist